Vor der Kamera zu stehen ist für mich ein Graus. Ich zapple, fahr mir durch die Haare, zupfe am Shirt herum und wo bitte sollen die Hände hin? Der finale lässige Blick in die Linse? Meist verkrampft und sehr amüsant für alle anderen.
Marie erkennt das sofort. Und nimmt sich meiner an. Das Kommando über die Foto-Situation und über mich gehört jetzt komplett ihr. Und siehe da: Durch ihren Witz verpufft die Anspannung, ihre Anweisung gibt meinen Händen endlich Halt. „Dieser Blick, ein Wahnsinn. Nur noch ein bisschen mehr nach rechts“, schmeichelt sie mir. Und trifft damit ins Schwarze. Vom Opfer des Apparats werd ich zum Teil des Teams, das an einem gemeinsamen Ziel arbeitet: Schöne Porträt-Fotos für das neue Projekt the good work zu schießen.
Mit Menschen umgehen, das kann Marie wirklich gut. Allein ihr „Lass dich fallen“-Blick: Warm, herzlich, immer auf Zack. Für den Job einer Hochzeits-, Paar- und Porträt-Fotografin, den sie seit bald drei Jahren als Selbstständige macht, immer von Vorteil. Für ihre Berufsausbildung zur Psychotherapeutin, die sie ebenfalls macht, ein Muss. Ihr Traum später? „Beides nebeneinander machen: Eine kleine Praxis mit Patienten und ein kleines Tageslicht-Studio für Porträts.“ Zusätzlich jobbt die 27-Jährige Teilzeit auch noch im Sozialbereich bei der Suchthilfe Wien.
Karriere-Könnerin
Ein Rezept dafür, wie man seine Rechnungen mit dem bezahlt, was man liebt, gibt es natürlich nicht. Wie also in die Selbstständigkeit einsteigen? Marie wollte sich nicht für einen Weg entscheiden – also macht sie eben mehrere Sachen auf einmal. Seit sie 16 ist arbeitet sie regelmäßig, neben ihrem Bildungswissenschaften-Studium macht sie sogar fünf Jobs gleichzeitig. Fixe Teilzeit-Stellen geben ihr auch heute noch Halt. Sie sorgen für die finanzielle Sicherheit. „Als Fotografin braucht es nämlich Zeit, bis du deinen Kundenstock, eine Homepage und einen guten Ruf aufgebaut hast. Das geht nicht von heute auf morgen.“
Hinterm grellen Blitz
Es scheint, als könne Marie ohnehin nicht anders: Ihre Energie braucht einen, nein mehrere, Ventile. Wenn sie über ihre Arbeit spricht, kommen ihre Worte gerade mal so ihren schnellen Gedanken nach, so viel hat sie zu erzählen. „Die Abwechslung die ich mit den Jobs habe, ist toll, aber natürlich auch superstressig.“ Ihre Arbeitszeiten? „Von Montag bis Sonntag.“
Besonders im Frühling und im Sommer, wenn viele Paare „Ja“ sagen, können ihre Batterien schon mal stärker beansprucht werden. Optimierungswürdig an der Selbstständigkeit? „Ich möchte noch lernen, Aufgaben auszulagern und ein bisschen mehr Routine und Struktur in meine Abläufe zu bringen. Das würde mir Zeit schenken.“
Dennoch meistert Marie die Herausforderungen, sie braucht sie förmlich. „In einem Vollzeitjob im Büro würd ich eingehen.“
Maries Tipps:
- An Frauen, die es auch wagen möchten, mit eigenen Ideen Geld zu verdienen: „Einfach machen, nicht allzu lange den Kopf darüber zerbrechen. Wenn es der Herzenswunsch ist, kann es nicht falsch sein.“
- Für die Kunden-Akquise: „Immer auf das Bauchgefühl hören. Passt die Chemie mit dem Kunden nicht, empfehle ich ihn gerne an gute Kollegen weiter.“ Aktiv nach Kunden suchen würde Marie nicht, ihr helfe Mundpropaganda. Gelungene Shootings präsentiert sie authentisch auf ihrer Homepage und Facebook-Seite.
- Zum Netzwerken: Raus gehen und Leute zu treffen sei als Selbstständige essenziell. In Wien mache sie Meetings am liebsten im Figar, Cafe Leopold, Burgring 1, Kaffemik oder im Zum Wohl.
Super Interview! Bauchgefühl und einfach Machen sind die wichtigsten Zuraten. Tolles Foto übrigens :-).
Lg Christina
Liebe Christina,
du hast vollkommen Recht! Viele träumen von der Selbständigkeit und trauen sich nicht den ersten Schritt zu machen! Dabei bedeutet selbständig werden nicht immer “ins kalte Wasser springen”. Marie zeigt uns, dass man auch step-by-step den Gang zum eigenen Business wagen kann!
glg, Lorinda
Ja, wobei einen gewissen Hang zu Risiko (kalkuliert natürlich) und Mut brauchts immer. Selbstständigkeit ist schon sowas wie eine eigene Geisteshaltung – diese emotionalen Berg-und-Talfahrten sind nichts für schwache Nerven :-). Ich würds trotzdem nie wieder tauschen wollen.